Anwendungsuntersuchung?
So gut wie nie lässt sich mit Sicherheit vorhersagen, wie Nutzer eine Anleitung verwenden und auslegen werden. Beobachtung ist die einzige Möglichkeit, exakt zu ermitteln, wie Interaktion zwischen Nutzer, Produkt und Anleitung aussieht – wie der Nutzer mit dem Produkt umgeht. Genau das ist der Zweck einer Anwendungsuntersuchung. Dabei wird systematisch ermittelt und analysiert, wie reale Nutzer in zu erwartenden Verwendungssituationen tatsächlich mit einem Produkt oder System umgehen – mit dem Ziel, diese Interaktionen zu optimieren.
Die Sammlung von Informationen in einer Anwendungsuntersuchung gliedert sich in drei Phasen:
- Untersuchung der Interaktion des Nutzers mit dem Produkt in der entsprechenden Umgebung
- Beobachtung der Interaktion
- Interviews mit den Nutzern
Qualität ist dabei wichtiger als Quantität. Es soll ermittelt werden, welche Interaktionen vorkommen – wie oft sie das tun, ist zunächst zweitrangig. Bei so gut wie jeder Anwendungsuntersuchung kommt es zu Interaktionen, die sowohl Entwerfer als auch Nutzer überraschen. Anwendungsuntersuchungen sind aufwändig, weshalb sie sich meist auf 5 bis 15 Teilnehmer beschränken (Daams, 2011).
Wie werden Interaktionen beurteilt?
Es gibt mehrere Methoden, um Einsicht in die Interaktionen zu erlangen. Zur Beurteilung von Interaktion gibt es zwei Möglichkeiten: mit oder ohne Nutzer.
Beurteilung ohne Nutzer
Bei einer Beurteilung ohne Nutzer werden die interaktiven Aspekte eines Produkts von einem Experten beurteilt. Da kein Nutzer beteiligt ist und daher auch keine Beobachtung einer wirklichen Interaktion stattfindet, kann dies nicht als vollständige Anwendungsuntersuchung betrachtet werden. Trotzdem erfolgt eine solche Beurteilung im Zuge der Entwicklung jeder Anleitung. Zur Bestimmung der interaktiven Aspekte eines Produkts dient eine Aufgabenanalyse. Dabei wird die Frage gestellt, welche Schritte erforderlich sind, um zum gewünschten Resultat zu kommen. Die Produktnutzung wird in mehrere Schritte oder Aufgaben unterteilt, deren Zusammenhang durch eine hierarchische Analyse wiedergegeben wird. Das Ergebnis der Aufgabenanalyse ist eine Liste mit Aufgaben, die der Nutzer ausführen muss, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Sie verschafft also Einsicht in die Komplexität eines bestimmten Vorgangs. Daraus lässt sich beispielsweise ableiten, bei welchen Schritten neben Text auch Illustrationen von Vorteil wären, oder welche Schritte zusammengefasst werden können.
Zur Analyse der vielen Phasen, die der Nutzungsprozess eines Produkts beinhaltet – und eine gute Anleitung muss alle Phasen abdecken! – kann untenstehende Tabelle zu Rate gezogen werden. In dieser Übersicht sind alle Nutzungsphasen eines Produkts aufgeführt. Dieselbe Einteilung wird auch in den IEC 82079-1 Instructions for Use verwendet. Für jede Nutzungsphase können die entsprechenden Aufgaben erfasst werden.
Nutzungsphase
- Anschaffung
- Warnung
- Beförderung
- Installation
- Inbetriebnahme
- Verwendung/Bedienung
- Wartung
- Reparatur
- Entsorgung
Beurteilung mit Nutzer
Bei einer Beurteilung mit Nutzern interagieren tatsächliche Nutzer mit dem Produkt und werden dabei von Forschern beobachtet. Nach der Untersuchung werden Interviews durchgeführt. Die Ergebnisse einer solchen Untersuchung gewähren Einsicht in die Anwenderfreundlichkeit der Anweisungen. Die Forscher agieren als reine Beobachter, die in keiner Weise die Situation beeinflussen oder auf die Nutzer einwirken – es werden weder Aufträge gegeben noch Fragen gestellt. Idealerweise werden die Nutzer auch gefilmt, um die Interaktion später weiter evaluieren zu können. Auf den Beobachtungsteil folgt ein Nutzerinterview, in dem den Nutzern Fragen zu ihrem Handeln gestellt werden. Dies kann einzeln oder in der Gruppe durchgeführt werden. Gruppeninterviews haben dabei den Vorteil, dass die Teilnehmer die Möglichkeit haben, einander ergänzen und dadurch wieder neue Reaktionen hervorzurufen. Ein Nachteil ist, dass sich die Nutzer häufig zu sehr gegenseitig beeinflussen und sich die lautesten am ehesten durchsetzen.