In der Box oder im Internet

Kann ich meine Anleitungen online veröffentlichen?

    Regelmäßig erreicht Manualise die Frage, ob es möglich ist, Anleitungen und technische Unterlagen online bereitzustellen, statt sie dem Produkt direkt in gedruckter Form beizulegen. Seit 2015/2016 sind Anleitungen in Papierform in der EU nicht mehr zwangsläufig obligatorisch. Vor eben diesem Problem stand das amerikanische Unternehmen Southwest Windpower. Es wurde nach einer Lösung gesucht, die geeignet sein sollte, das Nachhaltigkeitsimage stärken und gleichzeitig die Druckkosten zu reduzieren. Die Ansichten darüber, welche Alternativen rechtlich zulässig seien, gingen weit auseinander. Schlussendlich entschied das Unternehmen, Manualise hinzuzuziehen.

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    Weitere Gründe für eine Online-Lösung

    In diesem konkreten Fall waren die Hauptaspekte Nachhaltigkeit und Kostensenkung – doch kann die Suche nach einer elektronischen Alternative auch ganz andere Hintergründe haben. Die häufigsten Gründe:

    Die Anleitung passt nicht in die Verpackung

    Ein Importeur von Universalfernbedienungen wandte sich an Manualise, da er sich mit dem Problem konfrontiert sah, dass seine Anleitungen aufgrund der internationalen Markterweiterung in immer mehr Sprachen zur Verfügung gestellt werden mussten. Die Anleitungen wurden schließlich so umfangreich, dass sie nicht mehr in der Verpackung unterzubringen waren.

    Kosteneinsparung

    Einsparungen betreffen nicht nur Papier- und Druckkosten, sondern z. B. auch den Transport.

    Mit der Zeit gehen

    Das Internet ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Immer mehr Menschen lesen lieber auf dem Bildschirm statt in einem Buch. Technische Unterlagen auf dem Tablet oder Smartphone sind heutzutage häufiger anzutreffen als auf Papier. Die Bereitstellung von  Anleitungen online ist also ein Zeichen, dass das Unternehmen sich dem Zeitgeist nicht verschließt und großen Wert auf Anwenderfreundlichkeit legt.

    Einfache Updates

    Produktinformationen müssen regelmäßig – und oft in kurzen Abständen – aktualisiert werden: Produkte werden weiterentwickelt, Eigenschaften und Daten ändern sich, Software-Updates finden statt. Die nötigen Anpassungen sind in Online-Anleitungen einfacher vorzunehmen als in gedruckten Dokumenten.

    Umweltfreundlichkeit

    Dies war, wie oben erwähnt, der Hauptgrund für Southwest Windpower. Weniger Papier bedeutet automatisch weniger Belastung für die Umwelt. Würde eine große, international vertretene Marke wie Apple  sich entscheiden, Informationen nur noch digital bereitzustellen, bedeutete dies allein eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um mehrere Hunderttausend Tonnen.

    Wettbewerbsfähigkeit

    Ein geringerer Papierbedarf senkt nicht nur die Papier-, sondern auch die Logistikkosten – als Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit nicht zu unterschätzen.

    Weitere mögliche Vorteile:

    • Nicht zu vernachlässigen ist der Sicherheitsaspekt – so lässt sich etwa der Eingang von Dokumenten einfach nachweisen.
    •  E-Learning-Systeme erlauben dem Nutzer anzugeben, dass er die Produktinformationen verstanden hat.
    • Ein besonders großer Vorteil: Dokumente lassen sich wesentlich einfacher handhaben – man denke beispielsweise an die umfangreichen technischen Unterlagen eines Flugzeugs.
    • Es ist möglich, zu erfassen und zu analysieren, auf welche Informationen die Nutzer zugreifen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können als Ansatzpunkt für Verbesserungen dienen.
    • Dasselbe Dokument kann von mehreren Personen gleichzeitig abgerufen werden.
    • Informationen sind leichter zu finden (z. B. durch Strg+f).

    Ein Nachteil im Zusammenhang mit Online-Produktinformationen ist dagegen die Möglichkeit, gegen geltendes Recht zu verstoßen (Richtlinien). Auch bedeutet die Verfügbarkeit online nicht, dass diese Inhalte automatisch immer und für jeden zugänglich sind. Nutzern, die keinen Internetzugang haben, sind diese Informationen vorenthalten. Zwar nutzt in Deutschland mehr als jeder Zweite ein Smartphone – darüber sollte man aber nicht vergessen, dass dies in unseren Nachbarländern ganz anders aussehen kann. In Frankreich liegt der Anteil der Smartphonenutzer beispielsweise bei nur 14 %. Und was, wenn ein Server offline geht – dann sind die Informationen ganz einfach nicht mehr verfügbar.

    Was sagt die Gesetzgebung?

    Um die Frage von Southwest Windpower zu beantworten, müssen wir einen Blick in die EU-Richtlinien werfen. Richtlinien werden zur Gewährleistung  der Produktsicherheit aufgestellt und sind EU-weit gültig. Alle Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diese Richtlinien in ihr nationales Recht umzusetzen. Für die Windmühlen von Southwest gilt unter anderem die Maschinenrichtlinie. Diese besagt Folgendes:

    Maschinenrichtlinie (2006/42/EG)

    Jeder Maschine muss eine Betriebsanleitung in der oder den Amtssprachen der Gemeinschaft des Mitgliedsstaats beiliegen, in dem die Maschine in Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen wird (Quelle: Anhang 1.7.4 zur Maschinenrichtlinie)

    Auslegung

    Auf Grundlage dieser Richtlinie allein lässt sich noch keine eindeutige Aussage darüber treffen, ob Southwest Windpower seine Anleitungen in elektronischer Form bereitstellen darf. Dafür müssen wir einen Blick in die Leitfäden zu den Richtlinien werfen. Diese Leitfäden sind ebenfalls von den EU-Entscheidungsträgern verfasst und können als Anleitung zur Auslegung der Richtlinien betrachtet werden.

    Im Leitfaden zur Maschinenrichtlinie  heißt es: „Der allgemeine Konsens lautet, dass sämtliche Anleitungen, die für Sicherheit und Gesundheitsschutz relevant sind, in Papierform mitgeliefert werden müssen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Nutzer Zugang zu einem Lesegerät für das Lesen einer in elektronischer Form oder auf einer Website zur Verfügung gestellten Anleitung hat.“ Quelle: Leitfaden zur Maschinenrichtlinie – Juni 2010 (§ 255).

    Zur Information: In den Leitfäden zu einigen anderen Richtlinien werden zu diesem Thema folgende Aussagen gemacht:

    Im Leitfaden zur EMC-Richtlinie heißt es „Für die Dienststellen der Kommission steht fest, dass die dem Endnutzer bereitgestellten Informationen dem Endnutzer ermöglichen müssen, das Gerät ohne weitere Maßnahmen seinerseits zu nutzen. (…) Es wird aber (in anderen als den oben genannten Fällen) nicht akzeptiert, dass elektronische Medien oder ein Hyperlink als ausreichende Alternative zu Informationen in Papierform angesehen werden. Der Endnutzer hat uneingeschränkt Anspruch darauf, ein Gerät, das er ohne weitere Pflichten (wie zum Beispiel Zugang zum Internet) erworben hat, rasch und einfach nutzen zu können.“ Quelle: EMV-Leitfaden (S. 40) – Februar 2010.

    Im Leitfaden zur Spielzeugrichtlinie steht „Eine dem Spielzeug beigefügte CD mit Anweisungen ist nicht ausreichend, da nicht alle Nutzer über einen Computer verfügen, mit dem sie die Anweisungen und Montageinformationen abrufen können. (…) Die Informationen müssen dem Spielzeug in Papierform beigefügt werden.“ Quelle: Leitfaden zur Spielzeugrichtlinie (S. 128) – Januar 2012

    In der Richtlinie für persönliche Schutzausrüstung (PPE) [englische Fassung] heißt es schließlich: „The manufacturer has the obligation to deliver the information in paper form to users with each unit of PPE put on the market“. Quelle: PPE Guidelines – April 2010 (S. 50)

    Zwischenlösung

    Gemäß den Leitfäden sind also Anleitungen, die ausschließlich digital oder online verfügbar sind, nicht zulässig. Es besteht jedoch eine Ausnahme – basierend auf einer Verordnung von 2012. Danach sind in ganz bestimmten Fällen und unter strengsten Auflagen Gebrauchsanweisungen in rein elektronischer Form zulässig. Diese Verordnung gilt für ein spezifisches medizinisches Produkt – auf die Produkte von Southwest Windpower ist es also nicht anzuwenden.

    Das muss aber nicht heißen, dass es überhaupt keine Möglichkeit gibt. Als Ergänzung zu einer gedruckten Fassung ist eine elektronische Anleitung ohnehin immer möglich. Doch damit ist natürlich weder Papier gespart noch die Umwelt geschont. Eine von uns häufig empfohlene und angewandte Zwischenlösung ist ein Quick Start Guide, der dem Produkt beigelegt wird – ergänzt durch eine umfassende Online-Anleitung. Ein Quick Start Guide enthält die wichtigsten Informationen und Sicherheitshinweise – er muss den vorgesehenen Verwendungszweck hinreichend fördern und vor zweckwidriger Verwendung hinreichend warnen. Alle weiteren, weniger relevanten Informationen (etwa die vollständige Beschreibung der Funktionalität) werden online bereitgestellt. Wenn Hersteller so darum herumkommen, ihren Produkten ganze Bücher beilegen zu müssen, kann dadurch ein erhebliche Verbesserung für People, Planet und Profit erzielt werden.